Kürzlich war ich in der Kirche. Im Allgemeinen fällt es den Dienern Gottes schwer, die Botschaften der Bibel so rüber zu bringen, dass wir Normalsterblichen etwas damit anfangen können. Sie predigen sich mit einer Inbrust fast die Seele aus dem Leib und doch verlassen wir mit einem schalen Gefühl das Gotteshaus. Was bringt mir das persönlich? Hilft es mir weiter? Wie kann ich die Botschaften in meinem Leben umsetzen? Doch letzten Sonntag erzählte der Pfarrer von einem Gleichnis, mit dem ich etwas anfangen konnte.
Die Jünger Jesu fuhren mit einem Boot hinaus auf den See Genezareth. Jesus wollte später folgen, stieg aber zuerst auf einen Berg, um zu beten. Schließlich kam Sturm auf und die Jünger riefen nach ihrem Meister. Jesus stieg vom Berge herab und ging über das Wasser auf das Boot zu. Petrus – einer der Jünger – rief Jesus zu, er solle befehlen, dass auch er – Petrus – über das Wasser gehen könne. Jesus rief „Es geschehe nach deinem Glauben“. Und Petrus verließ das sichere Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu. Petrus und die anderen Jünger staunten nicht schlecht, als sie Petrus über das Wasser wandeln sahen. Als sich aber Petrus dessen gewahr wurde, was hier geschah und ein Sturm aufzog, der die Wellen höher schlagen ließ, verließ Petrus der Mut und er flehnte Jesus an, ihn zu retten. Jesus griff nach ihm und zog ihn aus dem Wasser.
Was will uns dieses Gleichnis sagen? Nun, das Boot ist eine Metapher für Sicherheit, unsere Komfortzone. Sobald wir den Entschluss gefasst haben, unser sicheres Terrain zu verlassen und Neues zu wagen, werden Kräfte in Gang gesetzt, die uns bei unserem Vorhaben unterstützen. Die richtigen Menschen kommen auf uns zu, das richtige Buch mit den entscheidenden Informationen fällt uns in die Hände, die Gedanken bauen logisch aufeinander auf, es eröffnen sich uns Mittel und Wege, an die wir gar nicht gedacht, die wir gar nicht erwartet haben. Wir gehen ein Wagnis ein, von dem wir nicht wissen, wie es enden wird. Wie immer die Sache auch ausgehen mag – wir haben auf jeden Fall gewonnen. Entweder wir tragen den Sieg davon und erreichen unser Ziel. Oder wir scheitern und müssen uns neu orientieren. Aber selbst dann haben wir gewonnen. Wir sammeln wertvolle Erfahrungen, stärken unser Selbstvertrauen, wissen das nächste Mal, wie es nicht geht. Wären wir im Boot sitzen geblieben, würden wir niemals erfahren, ob wir in der Lage wären, unser Ziel zu erreichen. Die Jünger, die im Boot sitzen geblieben sind, werden niemals erfahren, ob auch sie über das Wasser würden gehen können. Wer im Boot sitzen bleibt, seine Komfortzone nie verlässt, führt vielleicht ein ruhiges, beschauliches Leben. Ein Leben ohne besondere Höhen und Tiefen, das er sich mit Antriebslosigkeit, Mutlosigkeit, Gleichförmigkeit und Perspektivlosigkeit erkauft. Nie wird er erfahren, was möglicherweise in ihm steckt. Und in jedem Menschen steckt etwas Besonderes. Ich betone: IN JEDEM MENSCHEN! Schade nur, dass viele – vielleicht sogar die meisten, es nie erfahren werden. Jeder hat besondere Neigungen, Talente und Begabungen und es ist verdammt noch mal die Pflicht eines Jeden, diese Talente und Begabungen für sich selbst und zum Wohle seiner Mitmenschen einzusetzen.
Nun aber weiter mit unsere Geschichte. Was aber geschah dann? Was geschah, nach dem Petrus auf dem Wasser ging und die Wellen plötzlich höher schlugen? Petrus verlor den Glauben an sich selbst, ihn verließ der Mut. Das ist der Zeitpunkt des Zweifels, der jeden über kurz oder lang heimsucht, der neue Wege geht. Beiden – jene, die weitergeben und jene, die wieder umkehren, haben bis hier einen gemeinsamen Nenner: Sie hatten den Mut, einen Entschluss zu fassen und den ersten Schritt zu tun. Sie hatten neues Terrain betreten. Doch dann trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Zaghaften, Erfolglosen kehren um, machen bei den ersten Niederlagen schlapp. Die Erfolgreichen, machen da weiter, wo andere aufhören. Sie denken nicht einmal an Umkehr. Ganz im Gegenteil: Sie hängen die Messlatte immer höher. Ihr Ehrgeiz ist erwacht. Sie lieben die Herausforderung.
Ging Petrus ein Risiko ein? Ganz sicher ging er ein Risiko ein. Sein Versuch, auf dem Wasser zu gehen, hätte ja auch gründlich schief gehen können. Gingen die übrigen Jünger ein Risiko ein? Selbstverständlich! Ist es vielleicht nicht wagemutig zu riskieren, das man auf Gedeih und Verderb einem Arbeitgeber ausgeliefert ist, der einen jederzeit vor die Tür setzen kann? Ist es nicht riskant, seinen Lebenssinn zu verfehlen, ihn nie kennen zu lernen, von dieser Erde abtreten zu müssen, ohne je wirklich gelebt zu haben? Ich halte diese Risiken für erheblich bedeutender als das vergleichsweise kleine Risiko, etwas Neues zu wagen. Zurück in die Komfortzone kann man immer noch, wenn alle Stricke reißen.
Wer mit beiden Beinen auf dem Boden steht, kommt nicht vorwärts. Also, worauf warten Sie noch! The sky is the limit!